Zweigeteilt, nicht zwiespältig, fällt die Beurteilung der ersten (allerdings konzertanten) Aufführung der Suppé Operette "Die Afrikareise" in Großbritannien (und der ersten Aufführung weltweit nach 94-jähriger Pause) durch einen Artikel der Blogerin Charlotte Valori in ihrem Blog Operissma
aus. Eine weitere Beurteilung liegt mir derzeit nicht vor. Ungeteiltes Lob gilt dem Werk selbst, dem die Autorin bescheinigt, dass die Sorge, die Operette sei aus gutem Grund in der Versenkung verschwunden, unbegründet sei. "Die Afrikareise" erweise sich als erfreulich klangvoll, komisch und aktionsreich und sei absolut grandios. Das Imperial Vienna Orchester wurde in dieses Lob mit eingeschlossen, das auf glänzende Weise der verspielten aber hochentwickelten Partitur von Suppé gerecht geworden sei. Das Engagement ihres Dirigenten Dario Salvi, das Werk zu erforschen und mit leidenschaftlichem Ausdruck und ausgezeichneter Exaktheit wiederzugeben, habe sich voll für das Projekt ausgezahlt.
Vernichtend dagegen (mit einer Ausnahme, der weiblichen Hauptpartie der "Titania") ist die Kritik an den Gesangs- und Darstellungskünsten der Sängerinnen und Sängern. Wenn die stimmlichen Qualitäten noch für gut bis ausreichend empfunden wurden, so wird den meisten Gesangssolisten attestiert, ihre Rolle nicht mit Leben zu füllen, kein Feuer zu haben oder aber nur eine traurige Gestalt abzugeben. Noch schlechter kommt der Chor weg, dem vorgehalten wird, selten zusammen auf einer Linie zu singen und häufig die Ergebnisse des Orchesters verdorben zu haben.
Bemängelt wird auch die Tatsache, dass die Akteure einerseits in Kostümen auftraten, die u. U. die darstellerischen Möglichkeiten eher behindert hätten, andererseits aber vom Blatt sangen und daher entweder streng auf ihre Noten oder den Dirigenten fixiert waren und somit keinen Blick für's Publikum oder den Gesangspartner übrig gehabt hätten.
Ein weiterer Aspekt der Kritik ist eher eine Frage der "politischen Korrektheit" und handelt davon, ob ein Lied aus der Operette heutzutage noch mit einem solchen Text gebracht werden darf. Es dreht sich dabei um eine zwar persiflierte, aber doch rassistische Passage in einem Lied des Fanfani Pascha, das uns aber in dem hier behandelten Zusammenhang nicht weiter aufhalten soll.
Am Ende resümiert die Autorin, dass nach jahrelanger Anstrengung so vieler Menschen, "Die Afrikareise" auf die Bühne zurückzubringen, (immerhin) die überragende Leistung des Imperial Vienna Orchesters den musikalischen Wert dieses Projektes überzeugend demonstriert habe. Es sei schade, dass der Gesang mit der hervorragenden Leistung des Orchesters nicht mithalten konnte. Aber die vielen Fallen, in welche die Gesangsdarbietenden gestolpert seien, bewiesen doch nur, dass diese Musik (ähnlich der Gilberts & Sullivans) schwierig zu singen sei und eine ernsthafte Sachkenntnis verlange, um mühelos komisch zu sein! Mit einer stärkeren, tapferen Truppe könne "Die Afrikareise" eines Tages Gold erringen.
Uwe Aisenpreis, 2. Januar 2017
(Fotos: Mark Stimpson)