1856 wurde im Wiener Carltheater mit Die beiden Blinden
erstmals eine Offenbach-Operette aufgeführt und zwar von einer französischen Gastspieltruppe und noch in französischer Sprache. Und während Suppés Direktor Pokorny, der das Potential der Offenbach'schen Werke ebenso wie seine Konkurrenten vom Carltheater (Direktion Johann Nestroy) erkannte, mit Offenbach über ein Gastspiel verhandelte, kürzte der Schauspieler Karl Treumann, beim Carltheater unter Vertrag, das Verfahren ab. Er besorgte sich einen Klavierauszug der Mariage aux lanternes, übersetze das Stück selbst ins Deutsche und ließ von dem ebenfalls zu dieser Zeit am Carltheater tätigen Carl Binder eine neue Instrumentation anfertigen. So wurde 1858 ohne Billigung Offenbachs erstmals eine seiner Operetten in Wien in deutscher Sprache aufgeführt. Im gleichen Verfahren folgten weitere Offenbach-Operetten, bis hin zum ersten abendfüllenden Werk Orpheus in der Unterwelt
mit Johann Nestroy in der Rolle des Jupiter im Jahre 1860.
Nachdem Pokornys weitere Bemühungen, Offenbachs Werke legal an sein Theater zu bekommen, fehlschlugen, versuchte er es zunächst mit anderen französischen Komponisten. Aber diese Versuche waren nicht erfolgreich, unter anderem, weil das vorhandene Ensemble nicht auf den französischen Esprit eingestellt war. So beauftragte man Franz von Suppé damit, für das neue Genre eine Wiener Lösung zu schaffen. Und die Wiener Antwort auf Offenbach hieß
Das Pensionat, uraufgeführt am 24. November 1860 im Theater an der Wien und dieses Datum gilt somit als Geburtsstunde der Wiener Operette. Diese war wie die frühen Offenbach-Werke ein Einakter, galt in der damaligen Zeit als sehr frivol - was man sich heute kaum noch vorstellen kann - und wurde dennoch oder gerade deshalb zum Erfolg der Saison.
Trotz dieses Erfolges ging Alois Pokorny im Jahre 1862 mit dem Theater an der Wien in Konkurs und Suppé musste ans Theater am Franz-Josefs-Kai wechseln, an welchem der oben genannte Karl Treumann inzwischen sein eigener Theaterdirektor war und sich mit diesem Haus auf das neue Genre Operette spezialisiert hatte. Bereits eine Woche nach dem Wechsel wurde dort Suppés zweite Operette
Die Kartenschlägerin
aufgeführt und fiel durch. Ein Grund des Misserfolges, aber sicherlich nicht der einzige, war, dass die Operette noch für das Theater an der Wien konzipiert war und für das neue Haus erheblich umgearbeitet werden musste. 1864 hat Suppé dieses Werk nochmals umgearbeitet; unter dem Titel
Pique Dame
wurde die Neufassung in Graz aufgeführt, ebenfalls ohne Erfolg und es kam somit nie zu einer Aufführung in Wien. Doch bereits ein halbes Jahr nach dem ersten Misserfolg konnte Suppé die Scharte mit der Operette
Zehn Mädchen und kein Mann
(1862) wieder auswetzten, die zu einem wahren Triumph wurde und zu einem Siegeszug über viele deutsche Bühnen ansetzte und ebenso im Ausland nachgespielt und entsprechend übersetzt wurde, so z. b. in Warschau auf polnisch, in Prag auf tschechisch, in Mailand auf italienisch, in London auf englisch und in St. Petersburg auf russisch.
Für das noch provisorische Theater am Franz-Josefs-Kai schrieb Suppé 1863 noch eine weitere Operette,
Flotte Bursche, deren Ouvertüre er aus bekannten Studentenliedern arrangierte, die er fein säuberlich auflistete. Am 9. Juni des gleichen Jahres brannte das Theater nieder. Karl Treumann konnte aber bald darauf das Carltheater übernehmen und somit wechselte Suppé zu der Wirkungsstätte, bei der er dann weitere 19 Jahre unter Vertrag bleiben sollte. Die erste Operette für das neue Theater,
Corps der Rache
im Jahre 1864 wurde dann ein Misserfolg. Mit der nächsten Operette,
Franz Schubert, ebenfalls 1864, kam Suppé zwar beim Publikum an, nicht aber bei der Presse. Im Gegensatz zu F
lotte Bursche, wo nur die Ouvertüre aus Fremdmaterial zusammengestellt wurde, verwendete Suppé jetzt hierbei ausschließlich originale Musik von Schubert, deren Herkunft er in der Partitur akribisch nachwies. Somit brachte Suppé schon 53 Jahre vor dem späteren Welterfolg von Bertés
Dreimäderlhaus
den großen Romantiker als Person mit seiner eigenen Musik auf die Bühne.