Pressestimmen
Das erstaunliche Werk blieb bisher gemeinsam mit anderen geistlichen Kompositionen Suppés eine Fußnote der Musikgeschichte. Seine Qualität rechtfertigt diese untergeordnete Position allerdings kaum: Wenn es auch nicht den Tiefgang erstklassiger Vertonungen wie derjenigen von Mozart oder Verdi erreicht, so kann das Werk doch mit zahlreichen anderen Requiems mühelos mithalten. Für Irritationen sorgt nach wie vor wohl schlichtweg der Name des Komponisten, den man gewöhnlich mit leichter Operettenmusik in Verbindung bringt. Das Requiem steht musikalisch ganz abseits dieser anderen Lebenswirklichkeit Suppés, hinsichtlich seines Anlasses allerdings nicht: Es entstand 1855 im Angedenken an den 1850 gestorbenen Franz Pokorny, der als Direktor des Theaters an der Wien und Dirigent am Josefstädter Theater viel für die Bühnen-Karriere des aus dem dalmatinischen Split eingereisten Belgisch-Österreichers getan hatte. ...
Das Werk offenbart eine überraschende Eloquenz und Leichtigkeit hinsichtlich seiner musikalischen Faktur... Hervorragend zum Vorschein kommt ... die polyphone Struktur der Musik, die auf von Suppés Lehrzeit bei dem berühmten Tonsatzlehrer Simon Sechter (auch Schubert und Bruckner waren bei ihm) verweist und ansonsten wenig mit seinem Operetten-Stil gemein hat. Suppé vertont stets nah am Text; das "Tuba mirum" z. B. wird von drei Posaunen eingeleitet und, ähnlich wie bei Mozart, vom Basssolisten vorgetragen. Der Eingangssatz hat einen edlen marschartigen Charakter, der am Ende des Werks wieder aufgegriffen wird. Das "Dies irae" bringt es trotz obligatorischer Streicher-Tremoli nicht zu jenem lähmenden Ausdruck des Schreckens, zu dem Verdi fand; spektakulärer sind die großen, expressiven melodischen Bögen, die Suppé immer wieder einmal auszuspannen versteht.
Michael Wersin, 11.01.2003
Quelle: Rondo, Magazin für Klassik und Jazz